Gutes Buch im Regen
Installativer Katalog für gefundene Bücher
Diaschau
Ein einsamer Bücherstapel steht ungeschützt an einem Strassenrand in Wipkingen, es regnet in Strömen. Der Anblick dieser durchnässten Bücher war für Françoise Caraco und Agatha Zobrist Ausgangspunkt und Inspiration der hier gezeigten Arbeit. Alsbald nahmen sich die beiden Künstlerinnen weiterer Bücher an, die als temporäres Antiquariat mit dem Vermerk «gratis» irgendwo in der Stadt auf Abnehmerinnen warteten. Dies mag für die einen eine bequeme Art sein, sich von überflüssigem Ballast zu befreien, anderen fällt es schwer, Bücher wegzuwerfen. Sei es aus nostalgischen Gründen, aus Ehrfurcht vor dem Werk, vor den Schreibenden oder einfach aus Liebe zum Buch, das sie für eine gewisse Zeit begleitet hat.
In der Ausstellung «Gutes Buch im Regen» arbeiten Françoise Caraco und Agatha Zobrist mit Textauszügen, die sie aus den Büchern extrahieren und auf A5-Blättern an der Wand befestigen. Nur der erste und der letzte Satz des Werks sind lesbar. «Seit einer Woche hält sie durch. ... Das mit uns ist noch nicht vorbei.» Dazwischen tut sich eine Welt auf, eine Geschichte, die vielleicht ein Jahrhundert oder auch nur einen Tag umfasst. Um welche Geschichte es sich handelt wird nicht offengelegt und bleibt unserer Imagination vorbehalten.
179 Bücher stehen aufgereiht in einem Büchergestell, die Sachbücher dicht zusammengerückt, die Romane lockerer geordnet. Alle sind sie in ein weisses Papier gehüllt, zeigen den Betrachtenden ihren weissen Buchrücken und tragen auf dem Buchdeckel den Stempel «Gutes Buch im Regen».
An zwei Wänden sind subtil und fein Buchseiten angeklebt – für jedes Buch ein Blatt. Sie führen in einer lockeren Fluchtlinie zu den Büchern an der Stirnwand. Die weisse Szenerie verleiht dem Raum etwas Schwereloses. Es entsteht eine Leichtigkeit, eine Leere, die gedanklich neu gefüllt werden kann. Jedes einzelne Buch kann für einen Einheitspreis von Franken 8 erworben werden, damit es in neuer Form an einem anderen Ort wieder seine Geschichte erzählen kann. Durch die verkauften Bücher erhält das Büchergestell Lücken und verändert seine skulpturale Form fortlaufend.
Die Installation «Gutes Buch im Regen» ist das Produkt eines Dialogs zwischen zwei verschiedenen Künstlerinnen, deren Handschrift zu einer einzigen verschmilzt. Das Erinnern und Vergessen ist eines der grossen Themen, mit dem sich Françoise Caraco mit Text, Audio-, Video- und Fotoinstallationen beschäftigt. Dies verbindet sich in dieser Installation im Kunstraum nano hervorragend mit Agatha Zobrists Sinn für Materialien, Inszenierungen und Interventionen vor Ort. Im gemeinsam entwickelten Projekt «Gutes Buch im Regen» geben sie nicht nur wertlos gewordenen Büchern ihre einstige Würde zurück, sie öffnen den Raum und wecken damit die Neugier und Imaginationskraft der Betrachtenden.