Drancy, mémoires à vif, (französisch)
Auschnitt des Videos, Drancy, mémoires à vif, HD 16:9, 2015
Drancy, mémoires à vif, (französisch), (2015)
Video, HD 16:9, Zeitdauer 13' 44", Loop, Farbe, Ton
Vor dem Weitertransport in die Konzentrationslager des deutschen Nationalsozialismus passierten die französischen Juden das Internierungslager Drancy. Die Verflechtung von persönlichen Geschichten und des gemeinsamen Geschichtsbewusstseins führen im Video zu einem monologisierenden Flüstern und einer packenden Paranoia. Die Künstlerin Françoise Caraco führt emotionsgeladen durch einen Ort und lässt uns den Geschehnissen gedenken.
Text: Andreas Hagenbach, Anne-Sophie Miclo
reste de couleur
Audiofile, reste de coleur 2013
reste de couleuer (2013)
Audioinstallation bestehend aus:
Multi-media: Audioarbeit: Loop, zeitdauer 1' 45'' loop, Laserprints A4, 500 Stück, Stuhl, Sockel
Das Aufspüren von Farbresten steht am Anfang der eigens für die Ausstellung geschaffenen Arbeit von Françoise Caraco. In ihrer Audioarbeit protokolliert die Künstlerin aufzählend die Orte, die Farbe und die farblich passende Zwicky-Garn-Nummer und lädt uns damit ein, den Ort der Ausstellung als Teil der Ausstellung wahrzunehmen. Das Audio beginnt im Jetzt, mit dem roten Stuhl, auf dem wir Platz genommen haben. Die Stimme der Künstlerin führt uns durch die leere Fabrikhalle und zoomt auf die über die Jahre abgelagerten Reste, die zurückgebliebenen Spuren vergangener Tätigkeiten in der Fabrikhalle. So nimmt sie uns auf eine Reise in die Vergangenheit mit und zeigt in ihrer Erinnerungsarbeit, dass das Vergangene der Träger eines Tuns im Jetzt ist. Auf der visuellen Ebene „belegt“ sie ihre Forschungsarbeit mit einer fotografischen Dokumentation. Die kleinen Garnrollen werden darin inszeniert und gleichsam memoriert, denn die Produktion dieser Zwicky-Seidenfäden wurde längst eingestellt. (Die Besuchenden sind eingeladen, ein Blatt zur Erinnerung mitzunehmen.)
Text: Françoise Theis
Attention to the absence
Audioarbeit, attention to the absence, 2013
Attention to the absence (2013)
Wandinstallation bestehend aus:
Belichteter Diafilm
Audioarbeit, 7:23 min, loop, Sprecherin: Françoise Caraco
In dieser Arbeit richte ich den Blick auf den Prozess der Kunstproduktion und setze dabei auf die Imagination. Gezeigt wird eine Wandinstallation mit Filmdose und Kopfhörer. Über den Kopfhörer lässt sich eine Tonspur einhören, welche das Klicken einer Kamera, eine Stimme und weitere Arbeitsgeräusche wiedergibt, als Hinweis auf den Entstehungsmoment von Bildern. Die Filmdose erinnert an das fotografierte Bild. Sowohl die Tonspur- als auch die ausgestellte Filmdose lenken die Aufmerksamkeit auf etwas, das nicht da ist.
Gegebeneiten (version 1)
Gegebenheiten (2012), work in progress
A4, Laserdruck auf Biotop Papier
Die Arbeit Gegebenheiten von Françoise Caraco besteht aus losen weissen Blättern, auf denen kurze Geschichten in Form kleiner Kolumnen gedruckt sind. In den Kurztexten werden einfache und persönliche Vorfälle sprachlich abgebildet. Künstler, Kuratorinnen, Sammler, Galeristinnen, Kritikerinnen und Ausstellungsbesucher, alle diese Figuren aus dem Kunstkontext bekommen hier ihre eigenen Rollen und werden Protagonisten flüchtiger Inszenierungen, die auch Teile grösserer Geschichten sein könnten. Der Ton wechselt von tiefer Ernsthaftigkeit zu leichter Persiflage, die immer wieder ein Lächeln bei den Lesern und Leserinnen auslöst. Die Arbeit, welche von der Künstlerin als „work in progress“ gedacht ist, und insofern mit weiteren Beobachtungen ergänzt werden kann, stellt eine Art Phänomenologie des Alltags im Kunstkontext dar. Ob sich aus den Beschreibungen dieser singulären Gegebenheiten allgemeingültige Aussagen für eine gesamte Gemeinschaft formulieren lassen, ist aber den Betrachtenden überlassen.
Text: Irene Grillo, 2012
Selfportrait As Bait, Une Appropriation
Ausschnitt Video: Selfportrait as Bait - Une Appropriation, DV 4:3, 3:03 min, Off-Stimme
Selfportrait as Bait, Une appropriation, (2011)
Videoprojektion, (1 Kanal, farbig, Off-Stimme, Sprache: frz. Untertitel: dt.)
DV 4:3, 3:11 min., Sprecherin: Françoise Caraco
Françoise Caraco beschäftigt sich in ihrer neuen Videoarbeit Selbstportrait as Bait – Une appropriation mit den Fragen nach dem individuellen Subjektivierungsprozess und der Identitätsbildung, die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sind. In dem 3-minütigen Video verknüpft Caraco autobiografische Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit mit gefilmten Teilansichten einer Fotografie von Collier Schorr, auf der ein Junge mit rot gefärbten Lippen, schwarz geschminkten Augen und nacktem, gebräuntem Oberkörper zu sehen ist. Während die langsamen und suchenden Bewegungen der Kamera ein Detail nach dem anderen aus der Unschärfe ins Licht bringen, ohne je das Motiv in seiner Ganzheit zu zeigen, erzählt die Stimme der Künstlerin in gebrochenem Französisch aus dem Off das Erlebnis einer kurzfristigen Identifikation mit der Figur auf dem Foto. Aus der Wechselwirkung von Videoaufnahmen und Erzählung erzeugt Caraco eine subtile Topografie, welche die Gefühle und die Unsicherheit einer Zwölfjährigen in ihrem Entwicklungsprozess mit Feinfühligkeit und Präzision darstellt. Das im Titel der Arbeit schon erwähnte Thema der Aneignung wird hier in Zusammenhang mit der Suche nach Identität gebracht. Für die amerikanische Künstlerin und Modefotografin Collier Schorr, die als Expertin popkultureller Performances von Identität gilt, ist nämlich Identität immer etwas Geliehenes, das man sich aneignen und wie bei einem Auftritt in Szene setzen kann. Indem Caraco ein Bild von Schorr als Ausgangspunkt für ihre Arbeit auswählt, scheint sie die Haltung der Fotografin nicht nur zu teilen, sondern diese auch als Methode für die Herstellung eines eigenen Selbstportraits anzuwenden. Die Frage, ob sich die Künstlerin durch diese Abbildung zeigt oder ob sie sich eher versteckt, bleibt aber offen.
Text: Irene Grillo, 2012