The Sounds of the City
Video projection, HD 16:9, time 3‘ 23“, colour, sound
The Sounds of the City shows a large view of a city at night in a darkened room, accompanied by city sounds. From the off, an anonymized person describes how this city has been changing acoustically for forty years - a tonal parable from polyphony to cacaphony.
Vergessen und Erinnern
Auschnitt des Videos, Vergessen und Erinnern, HD 16:9
Vergessen und Erinnern (version 3, 2017)
Video, HD 16:9, Zeitdauer 7‘ 56“, Loop, Farbe, Ton
Denkt Françoise Caraco an ihr Jahr in Paris zurück, sagt sie: „Ich empfinde Heimweh für diese Stadt, in der ich mich ein Jahr lang fremd gefühlt habe“. Eine Folge von 50 Aufnahmen wird projiziert und aus dem Off kommentiert. Caraco, für die Paris nur ein temporärer Aufenthaltsort geblieben ist, erzählt aus der Ich-Perspektive, kommentiert spontane Eindrücke und stellt singuläre Momente allgemeinen Situationen gegenüber: „Mein Atelier im Sonnenschein, sonst hat es fast immer geregnet. “ oder fügt lapidar an: „Es gibt Fotos, die mag ich einfach“.
Insgesamt sind es 1900 Fotos, „leicht und schnell“ mit einem Smartphone aufgenommen. Es tritt der Effekt ein, dass nicht mehr jede Aufnahme erinnert wird, nicht der Ort, nicht die Stimmung, nicht die eigenen Anwesenheit dort. Bekannt ist auch der Effekt, dass wir vor Ort anderes empfinden, als im Nachhinein beim Sichten der Fotos. Das Fremde ist in den Fotografien angeeignet, mit eigenen Erinnerungen ergänzt, ist vorübergehend Teil des Eigenen gewesen, und spiegelt sich schließlich in der Arbeit wider, die Françoise Caraco unter dem Titel „Vergessen und Erinnern“ realisiert hat.
Text: Ruth Horvak
Der Kaufmann Caraco
Video (Ausschnitt), Der Kaufmann Caraco, 2017
Der Kaufmann Caraco (2017)
Video, HD 16:9, Zeitdauer 10‘ 48“, Loop, Farbe, s/w, Ton
Der Kaufmann Caraco ist eine knappe, filmische Annäherung der Künstlerin Françoise Caraco an den nahezu vergessenen Spitzenhändler am Rennweg in Zürich. Die Existenz des Mannes, der ihr Urgrossonkel war, zeichnet sie im Video schemenhaft nach, mit der Stimme der gleichnamigen Nebenfigur in Kurt Frühs Film „Hinter den sieben Gleisen“, im Interview mit einer inzwischen verstorbenen Angestellten des Spitzenhändlers, mit dem Wortlaut von Caracos Zürcher Einbürgerungsakte.
Drancy, mémoires à vif (deutsch)
Ausschnitt Video, Drancy, mémoires, à vif
Drancy, mémoires à vif, 2015
Video, HD 16:9, Zeitdauer 13' 44", Loop, Farbe, Ton
Seit einigen Jahren befasst sich Françoise Caraco in ihren Arbeiten mit der Familiengeschichte. Als Nachfahrin einer um die Jahrhundertwende nach Basel immigrierten jüdischen Familie ist auch ihre Geschichte vom Holocaust geprägt, der mehrere Vorfahren das Leben gekostet hat. Die Künstlerin interessiert die Verstrickung von persönlicher Geschichte, imaginärer Geschichte und kollektivem Geschichtsbewusstsein. In der gegenwärtigen Arbeit folgt sie wie viele Nachkommen jüdischer Familien den Spuren ihrer Herkunft. Briefe, Fotografien, Erzählungen und Dokumente führten sie in das bei Paris gelegene Sammellager von Drancy, das beinahe alle französischen Juden vor der Deportation durchliefen.
Die einmalige Systematik des Genozids – das unentrinnbare Netz bürokratischer Rationalität der Judenverfolgung – spiegelt sich geradezu im rationalistischen Modernismus des Wohnbaus (Cité de la Muette), der schon vor der Machtübernahme in Frankreich als Gefängnis umgenutzt wurde. Der für Architekturhistoriker bedeutende, damals von der Vichy-Regierung als Sammellager genutzte Baukomplex wird heute bewohnt: Im Bau befinden sich jetzt, wie ursprünglich vorgesehen, Sozialwohnungen. Vor dem Hof des U-förmigen Gebäudekomplexes wurden über die Jahrzehnte hinweg verschiedene Gedenkeinrichtungen installiert, bis zuletzt ein von der französischen Bahn gestifteter Deportationswaggon hingestellt wurde.
Erst 2012 eröffnete auf der Strassenseite gegenüber eine sehr aufwändig eingerichtete, von François Hollande inaugurierte Shoah-Gedenkstätte. Der dafür errichtete Neubau wurde aus den Mitteln nachrichtenloser Vermögen finanziert.
Beim Gang durch den vom Alltag beherrschten Hof hinter dem Deportationswaggon ist viel imaginäre Arbeit verlangt, um sich vorzustellen, was hier einmal geschehen ist. Realitäten, Zeiten kreuzen sich. Der bewohnte Baukomplex ist nicht begehbar. Françoise Caraco meint, im heruntergekommenen Park am Ende des Hofes am ehesten eine Stimmung einfangen zu können. Die Grünanlage wird kaum benutzt, sieht ungepflegt aus, als herrschte hier eine seltsame Berührungsangst, Scham. Die Schablonen vorgefertigter Narrative, auch der von historischen Aufnahmen vorkonfigurierte Blick vermitteln sich stets an der vagen Kenntnis der Geschichte der eigenen Vorfahren und den daraus gemachten Vorstellungen; auch am Jetzt körperlicher Anwesenheit: Diese Vermittlung resultiert, wie die Videoarbeit zeigt, in einem stillen und persönlichen Nachdenken und Umherblicken. Ein «aktives Gedenken», in dem sich greifbar eine Folge des Holocaust für die Nachfahren destilliert: Ein paranoisch flüsterndes – überall da draussen flüsterndes – Selbstgespräch; ein Blick, dem die Welt düster antwortet: ein Unbehagen in der Kultur. Die Künstlerin findet mit ihrer Arbeit eine stabile Form für diesen netzförmigen Schatten auf der Realität. Als «Vierteljüdin» wäre sie, die für die Nachforschungen samt Familie für ein Jahr nach Paris gezogen ist, gemäss Nürnberger Gesetze ebenfalls verfolgt und deportiert worden.
Text: Oliver Caraco
Der Betteltag im Turtmanntal
Video (Ausschnitt), Der Betteltag im Turtmanntal, 2014
Der Betteltag im Turtmanntal, (2014)
Video HD 16:9, Zeitdauer 6‘ 57‘‘, s/w, Ton
Jährlich am 26. August haben die Bettler aus der Umgebung von Turtmann den langen Weg unter die Füsse genommen, um auf der Alp in Gruben/ Meiden ein Käsestück gespendet zu erhalten.
Im Video Der Betteltag, arrangiert Françoise Caraco Fragmente von Zeugenaussagen und historischen Einträgen als Monolog, entlang einer Fotostrecke. Diese zeigt Detailansichten aus alten Fotografien zum Brauch des Betteltags, aus dem online-Archiv der Mediathek Wallis.
Über Detailaufnahmen rückt das Aufgebot des Bettelvolks ins Zentrum, dabei wirken die Aufnahmen verpixelt, ein verstärktes Bild entsteht, von Menschen am Rand der Gesellschaft, bevor diese mit Einzug der Moderne von der Bildfläche verschwunden scheinen.
Selfportrait As Bait, Une Appropriation
Ausschnitt Video: Selfportrait as Bait - Une Appropriation, DV 4:3, 3:03 min, Off-Stimme
Selfportrait as Bait, Une appropriation, (2011)
Videoprojektion, (1 Kanal, farbig, Off-Stimme, Sprache: frz. Untertitel: dt.)
DV 4:3, 3:11 min., Sprecherin: Françoise Caraco
Françoise Caraco beschäftigt sich in ihrer neuen Videoarbeit Selbstportrait as Bait – Une appropriation mit den Fragen nach dem individuellen Subjektivierungsprozess und der Identitätsbildung, die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sind. In dem 3-minütigen Video verknüpft Caraco autobiografische Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit mit gefilmten Teilansichten einer Fotografie von Collier Schorr, auf der ein Junge mit rot gefärbten Lippen, schwarz geschminkten Augen und nacktem, gebräuntem Oberkörper zu sehen ist. Während die langsamen und suchenden Bewegungen der Kamera ein Detail nach dem anderen aus der Unschärfe ins Licht bringen, ohne je das Motiv in seiner Ganzheit zu zeigen, erzählt die Stimme der Künstlerin in gebrochenem Französisch aus dem Off das Erlebnis einer kurzfristigen Identifikation mit der Figur auf dem Foto. Aus der Wechselwirkung von Videoaufnahmen und Erzählung erzeugt Caraco eine subtile Topografie, welche die Gefühle und die Unsicherheit einer Zwölfjährigen in ihrem Entwicklungsprozess mit Feinfühligkeit und Präzision darstellt. Das im Titel der Arbeit schon erwähnte Thema der Aneignung wird hier in Zusammenhang mit der Suche nach Identität gebracht. Für die amerikanische Künstlerin und Modefotografin Collier Schorr, die als Expertin popkultureller Performances von Identität gilt, ist nämlich Identität immer etwas Geliehenes, das man sich aneignen und wie bei einem Auftritt in Szene setzen kann. Indem Caraco ein Bild von Schorr als Ausgangspunkt für ihre Arbeit auswählt, scheint sie die Haltung der Fotografin nicht nur zu teilen, sondern diese auch als Methode für die Herstellung eines eigenen Selbstportraits anzuwenden. Die Frage, ob sich die Künstlerin durch diese Abbildung zeigt oder ob sie sich eher versteckt, bleibt aber offen.
Text: Irene Grillo, 2012
Das Gruppenbild (version 1)
Ausschnitt Video, Das Gruppenbild, HD 16:9, 13' 33'', Off-Stimme
Das Gruppenbild (2011)
Videoprojektion, (1 Kanal, s/w, Off-Stimme, Sprache: dt.)
HD 16:9, Zeitdauer 13' 33''., Sprecherin: Mirjam Smeijkal
Mit ihrer Video/Audio-Installation Das Gruppenbild lotet Françoise Caraco den Moment zwischen dem Erzählen und dem Nichterzählen einer Geschichte aus. Die Künstlerin eröffnet anhand von Fotografien und Textfragmenten neue Erzählräume, die sich um das Thema unserer Gesellschaft und deren AkteurInnen drehen. Eine Frauenstimme spricht in einem Monolog von einer Gruppe, gegen welche ermittelt wird. Warum und inwiefern haben die Mitglieder der genannten Gruppe gegen das Gesetz verstossen? Der Ermittlungsgrund wird nie erwähnt und bleibt offen für Interpretationen. Nach einem Prolog in filmischer Form erscheinen analoge Schwarz-Weiss-Fotografien als Standbilder auf die Wand projiziert. Die menschenleeren Situationen zeigen Spuren von Handlungen an einem Ort. Es entsteht eine ‚Pause des Daseins’, indem die Bilder gleichsam stillstehen. So werden Assoziationen von soeben Geschehenem oder Zukünftigem wach und verbinden sich mit dem tatsächlich Gezeigten.
Lea Hess, 2011